Operation am offenen Herzen - ein Bericht (AUY)

Vorab: Vor einem Jahr noch hätte ich mich nie so tief in die Eingeweide eines Motors hinab begeben – aber wer nicht ins Wasser springt kann ja auch nicht schwimmen lernen (oder so).

Hier also ein kleiner bis mittelgroßer Arbeitsbericht über das Leiden (und die Wiederauferstehung) unserer geliebten Ali, welches uns das letzte halbe Jahr und speziell letzten Herbst geplagt hat.

Los ging es schon Anfang des Jahres mit Überdruck im Ausgleichsbehälter – auch nach längerem Stehen bei kaltem Motor. Nach Tausch des Behälter-Deckels (ich hab nicht wirklich dran geglaubt) war auch schnell klar dass die ZKD wohl durch ist. Da wir noch ca. 8000km bis zum nächsten Zahnriemen-Wechselintervall (300.000km) hatten wollten wir die Reparatur noch etwas hinausschieben, um gleich beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – kostet ja alles und kaputter kanns ja nicht werden. Dachten wir zumindest…

Ich hab dann mal bei nem bekannten Schrauber (freie Werkstatt) einen mündlichen Kostenvoranschlag eingeholt – so um die 1300-1500€ müsste ich wohl rechnen. Der meinte auch dass ein Tauschmotor vielleicht eine Alternative wär – dann sollte man aber gleich die Kupplung mitmachen (was das ganze natürlich nicht billiger werden lässt).
Zwischenzeitlich begannen (gerade im November) die Scheiben extrem zu beschlagen, sodass man mit dem Nachwischen kaum hinterherkam. Nach ein bisschen Recherche war auch klar woher das Problem kam: der Wärmetauscher unterm Armaturenbrett wurde durch den Überdruck im Kühlsystem beschädigt, oder zumindest am Rohrflansch soweit gedehnt, dass Kühlflüssigkeit über die Ausströmer verteilt wurde (teilweise war aufsteigender Nebel im Fahrzeuginneren erkennbar).
Eine komplette Reparatur in der Werkstatt (selbst in einer freien) überstieg den Wert des Autos - der klassische wirtschaftliche Totalschaden. Wir lieben aber dieses Auto (also meine Frau – ich bin mit dem Auto nur platonisch befreundet).
Fast alle meine bekannten Schrauber/Freunde legten mir nahe das Auto schnellstens zu veräußern – nen 1000er müsste vielleicht noch drin sein. Dazu müssten wir aber noch etwas investieren (3-4000) um wieder eine vergleichbare Familienkutsche zu haben. Bis mir ein guter Freund sagte: Machs doch selber – was soll schon passieren, im schlimmsten Fall brauchst halt doch nen Tauschmotor. Nebenbei, ich bin Industriemechaniker von Beruf, rumschrauben kann ich. Als Zweitwagen hab ich einen W124 Kombi – da gibt’s auch ab und an was zu tun.
Also ein bisschen weiter recherchiert (hier und bei Youtube), Teilepreise eingeholt und noch ein bisschen Werkzeug besorgt (kleiner DM-Schlüssel, Ventilspanner). Sah alles ganz einfach aus. Tja…
Also hat meine Frau die Kinder mit unserem Zweitwagen (besagter W124) zur Schule und Kindergarten gebracht, ich bin mit Kollegen zur Arbeit und hab nebenbei am Auto geschraubt – ohne Bühne, ohne Grube, ohne Garagenheizung. Nebenbei wurde auch noch der Zuheizer gegen einen generalüberholten mit besserer Kerze getauscht – der lag schon seit über einem Jahr rum und wartete auf den Einbau. Kühlflüssigkeit musste ja jetzt eh neu.
Hier folgen nun ein paar Impressionen (dies ist keinesfalls eine Anleitung, nur ein Erfahrungsbericht). Vielleicht hilfts ja auch dem einen oder anderen sich „ranzutrauen“. Ist eigentlich kein Hexenwerk wenn man sich ein bisschen mit der Materie beschäftigt:


Hier sind so ziemlich alle störenden Anbauten vom Kopf demontiert. Auch Keilriemen und Zahnriemen sind schon runter.

Der Motorblock ohne Kopf vor der Reinigung. Deutlich zu erkennen sind die Abgas-Ablagerungen oben Richtung Wasserkanäle – und zwar an jedem Zylinder.

Hier nochmal von Nahem.

Der halbwegs gereinigte Motorblock. Den Verzug hab ich mit einem Haarlineal und Fühlerlehre überprüft und für IO befunden.

Zylinderkopf von hinten mit Turbolader, AGR (oben), Abgaskrümmer. Rechts sieht man den alten Hydraulikspanner des Zahnriemens, hinten die alte Zylinderkopfdichtung. Oben noch eine zerfeledderte Halterung für die Motorabdeckung – war unschön kam später auch neu .

Der Kopf von unten.

Und auch hier nochmal von Nahem.

Halbwegs gereinigter Kopf. Auch hier den Verzug geprüft mittels Haarlineal und Fühlerlehre.

Ausgebaute Teile aus dem Kopf: oben die Schwinghebelachsen, mittig die Nockenwellen-Befestigungen, unten die alten unteren Lagerschalen und Hydros.

Die Nockenwelle.

Der Kopf ohne Nockenwelle, Lagerschalen und Hydros – jetzt werden die Ventilschaftdichtungen gemacht.

Der erste Satz ausgebauter Ventile.

Alle Ventilschäfte neu abgedichtet, Hydros eingesetzt. Auch die PDEs wurden neu abgedichet und sind hier noch nicht richtig befestigt, nur eingesteckt.

Die alten Nockenwellen-Lagerschalen. Die unteren weisen schon stärkeren Verschleiß auf, die oberen wären noch ok gewesen.

Ein paar alte Dehnschrauben und die alten Dichtungen der PDEs. Übrigens wurde sämtliche Schrauben im Kopf durch neue ersetzt.

Auch die Pumpe hat neue Dichtungen spendiert bekommen.

Hier ist der Kopf fertig zum Einbau (allerdings noch ohne Turbo und AGR-Trakt).

Der Kopf ist wieder drin.

Neue Wasserpumpe, neuer Hydraulikspanner, neuer Stehbolzen. Auch der Plastikschutz hinterm Zahnriemen ist neu – der alte hat beim Ausbau etwas gelitten (war auch schon angeschlagen…). Haube ist auch wieder drauf.

Ein Weihnachtsgeschenk an mich selbst. Den nächsten ZR-Wechsel mach ich definitv selbst – dass war der leichteste Part der ganzen Aktion.

Nach der ersten Probefahrt keine Leistung und harte Bremse – das berühmte Unterdruckrohr zwischen Unterdruckpumpe/Dieselpumpe und Bremskraftverstärker war schuld. Nach dem Geflicke ging zumindest die Bremse wieder – Leistung war aber immernoch keine da.

Neues Rohr – vorsichtshalber mit Baumarkt-Dämmungsrohr geschützt. Obs was bringt und dauerhaft hält wird die Zeit zeigen. Auch zu sehen: neuer Dieselfilter.

Nach nochmaliger Probefahrt war klar dass der Wärmetauscher immer noch defekt ist. Das ist leider das einzige Bild das ich von der Aktion habe (Armaturenbrett raus usw.) Unterm Wärmetauscher war alles nass (ca. 3mm rote Flüssigkeit am Boden der Klimaanlage). Am Flansch erkennt man noch dass der Ausbau mit ein bisschen Gewalt erfolgte – der Einbau ging ohne Gewalt. Nach Reinigung und Tausch ist alles wieder wie es sein soll. Bei der Aktion wurde auch gleich noch das Scheibenwischergestänge geschmiert, weils eh ausgebaut werden musste.

Alles in allem hat mich die ganze Aktion etwa 500€ gekostet. Hab nur ein paar Teile original beim Freundlichen geholt, den Rest von namhaften Herstellern über Daparto (kann ich nur empfehlen).

Zu guter Letzt:
Ich bin nach wie vor vom Konzept des SGA überzeugt – jetzt mehr denn je – und möchte das Auto so lange es geht erhalten. Zur Zeit suche ich noch (unter anderem) die Motordämmung (den Schaumgummi-Ring), damit „er“ etwas leiser wird. Da hingen nur noch einzelne Fetzen. Sah nicht schön aus. Auch der Schaumstoff unter der Motorabdeckung bröselte ab und ist nun ganz weg. Neuteile sind mir zu teuer – irgendein Schlachter wird schon mal was für mich haben.

Ich freu mich ja schon fast auf die nächste Aktion :wink:

PS: Hier gibts noch ein Video vom 1. Motorstart nach der Aktion. Viel Spaß!!!

7 „Gefällt mir“

#1

Servus.

Gerade kann ich mir nicht vorstellen, welcher Schaumgummi-Ring da fehlen könnte … Vielleicht ist aber in dem Zusammenhang dieser Faden www.sgaf.de/content/motorabdeckung-auy-432648#comment-1139635 interessant.

Gruß - HMSmily

PS: Danke für den Bericht!

#2

Ja, danke für den Bericht. Und - hurra, der Wal läuft wieder, denn der Wal muss laufen!
Der Link in #1 ist der richtige.
Mit dem Material kannst Du auch um den Motor herum verpacken („Ring“). Habe dazu hier auch schon Bilder gesehen.
Den PD-Kabelbaum hast Du bestimmt auch neu gemacht?

#3

Schön zu hören, dass es dem Fahrzeug auch fünf Jahre später noch gut geht. :prost:

Zum etwaigen Kupplungswechsel als Verbundarbeit: Geh nur ran, wenn sich irgendwelche Probleme abzeichnen. Sowohl Kupplung als auch ZMS wurden bereits mal getauscht.
Irgendwann ist natürlich auch wieder fällig, aber jetzt bei 300 tkm sollte das noch nicht der Fall sein.

Die ZKD scheint offenbar ein 150 Tkm Wechselintervall zu haben. Zumindest ist das auch schon die Zweite.
Genauso wie die Glühlkerze des Zuheizers. Da kam damals imho aber auch schon die keramische Glühkerze zur Anwendung.

#4

Den „alten“ Zuheizer werde ich auch wieder aufbereiten und auf Halde legen.

Als Dämmung hab ich vorerst 20mm Moosgummi-Matten zugeschnitten und werde beobachten.

PD-Kabelbaum wurde meines Wissens von t.klebi auch schonmal getauscht - der sah auch eigentlich noch gut aus. Da kommt man aber auch jetzt noch leicht ran zum Tauschen wenns denn wirklich sein muss.

#5

Stimmt. Ist aber nun auch schon mindestens 7 Jahre und viele, viele Kilometer her.

#6

Jetzt fahren wir mal 5-10000km und hoffen dass nix bricht o.ä.(Stehbolzen, Spannrolle etc.) und dann werden die restlichen Baustellen angegangen. AGR würd ich ja auch gern irgendwann erneuern. Hat ja doch irgendwo Sinn das Teil.

#7

Da hab ich doch fast ein DejaVu :mrgreen:
Sehr schön das soweit alles geklappt hat bei dir

Bin noch nicht ganz soweit, bei mir fehlen noch paar Teile

#8

Habe noch ein Problemchen.
Im Moment scheint der Verbrauch recht hoch zu sein. Hauptsächlich merk ichs in der Kaltstartphase, da komm ich die ersten 500m kaum von 15L runter. Je länger ich unterwegs bin desto besser wird der Verbrauch natürlich, allerdings ca. 0,5-1L schlechter als ich es gewohnt bin.
Erst wenn die Kühltemperatur und Öltemperatur im KI gestiegen sind scheint sichs zu harmoniesieren. Allerdings dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis die Zeiger überhaupt mal steigen. Das ging früher schneller.
Ich habe eine Testfahrt gemacht um das Thermostat und die Sensorik zu überprüfen (wie hier im Forum beschrieben). Scheint alles in Ordnung zu sein (Temperaturvergleich KI zu Diagnosemodus im Klimabedienteil wie beschrieben).
Leistungsverlust hab ich keien - fühlt sich normal an. Deswegen glaube ich nicht dass es an falschen Steuerzeiten oder Einspriztzeiten liegt. Wenn doch belehrt mich eines besseren.

Kann es sein das der KM-Temperaturgeber doch einen weg hat? Oder liegts am defekten AGR?

#9

Ja, so eine kaputte Kopfdichtung macht das Kühlwasser schön schnell warm. :slight_smile:

Gruß,
Hinki

#10

#8
Da die Temperaturen wohl passen (73 grad in der Klima, 90 grad im KI) ist mein erster Gedanke: Thermostat
da es ja lange dauert bis er warm wird … ich denke mal Zuheizer läuft

Bei diesen Themperaturen dauert es allerdings bei mir auch gute 9-11 Minuten bis im KI 90 erreicht wird
Zuheizer läuft und 22 grad Automatikbetrieb an der Klima/Heizung. Die Heizung hinten zieht schon ganz gut weg. Wenn ich die ausmache geht es schneller

Ansonsten würde ich es auf das AGR schieben, Bauchgefühl

#11

Schau mal die Temperaturen im MSG nach (morgens vor dem Starten).
Es gibt Autos mit Doppeltemperaturgeber, da stimmt die Temperatur im KI und das MSG hat trotzdem den falschen Wert. Wenn die Temp nicht stimmt spritzt er ggf. zu viel ein. Wobei ich mir bei einem erhöhten Verbrauch die ersten 500m noch keinen Kopf machen würde. Da glüht er auch noch vor und das zieht viel Leistung über den Generator.

9 - 11 Minuten um auf 90°C zu kommen sind absolut normal.

#12

Wie das? Geht das auch über die Diagnosefunktion im Klima-Bedienteil?

#13

ist es nicht so:

wenn er 2 polig ist, bekommen das MSG, das Klimabedienteil und die KI die gleichen Werte

wenn er 4 polig ist, bekommt das KI einen eigenen Messwert, MSG und Klimabedienteil einen anderen bzw. den gleichen Wert

:-k :-/

der AUY hat doch nur einen Platz für den Wassertemperatursensor?

#14

#12: Nein. Es geht über die MWBs bei VAG COM / VCDS

#13: Im Prinzip ja. Aber das ist für Laien ja nicht so leicht zu sehen.
Außerdem könnte ja auch der Dieseltemperatursensor einen ähnlichen Effekt verursachen. Man prüft dann sinnigerweise gleich alle Temperaturen die es so im MSG gibt. Und es könnte ja auch die Verkabelung zwischen Temp Sensor und MSG oder die Steckkontakte sein (zugegebenermaßen eher unwahrscheinlich).

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#15

Moin,

ich hatte beim Cabrio mal einen Kabelbruch in der Gummitülle des zweipoligen Steckern beim Kühlmittelsensor. Daher hat das Ding auch immer lang vorgeglüht, selbst wenn der Motor warm war und auch im Hochsommer. Habe ich nur durch Zufall gefunden, aber im MSG hatte es unplausible Temperaturen vorgegeben.

Gruß
Meschi

#16

Moin,
keine Ahnung, was du da alles gemacht hast, aber ich finde es wunderbar, wenn Menschen solche Motoren auseinanderbauen und am Ende immer noch genau wissen, was sie getan haben. Tolle Bilder, ich habe sie mir gerne angeschaut, habe allerdings keinen blassen Schimmer was du da gemacht hast. Bei Schiebelehre und nachmessen bin ich ausgestiegen.

Beste Grüße
Klappskalli

#17

Danke für die Blumen.